Rakhat Aliyev: „Nasarbajew ist wirklich ein Mörder“

Rakhat Aliyev: „Nasarbajew ist wirklich ein Morder“

Im profil-Interview beteuert der des zweifachen Mordes verdachtige Rakhat Aliyev seine Unschuld und belastet Staatsprasident Nursultan Nasarbajew.

Der Fall sorgt seit nunmehr vier Jahren fur schwere diplomatische Verwerfungen zwischen Wien und Astana. Kasachstans autokratischer Prasident Nursultan Nasarbajew bezichtigt seinen fruheren Schwiegersohn und engen Vertrauten Rakhat Aliyev, einst Kasachstans Botschafter in Osterreich, der Veruntreuung Hunderter Millionen Euro respektive der Anstiftung zur Entfuhrung und Ermordung zweier Manner. Beide arbeiteten fur die Nurbank, an welcher Aliyev bis 2007 die Mehrheit hielt. Dieser bestreitet die Vorwurfe entschieden. Die Beweislage ist bis heute reichlich unubersichtlich.Zweimal wollten die Kasachendie Auslieferung uber den Rechtsweg erzwingen – und fielen zweimal durch. Die heimische Justiz argumentiert, Aliyev habe in seiner Heimat keine Chance auf ein faires Verfahren – eingedenk der kasachischen Politjustiz eine durchaus plausible Einschatzung (Aliyev wurde in Abwesenheit jedenfalls zu 40 Jahren Haft verurteilt). Das Tauziehen ist umso grotesker, als Rakhat Aliyev – formell fuhrt er heute den Namen seiner zweiten Frau: Shoraz – langst nicht mehr in Osterreich lebt. Er ist im Mittelmeerraum abgetaucht, will seinen Aufenthaltsort mit Hinweis auf Morddrohungen aber nicht nennen. profil ist es uber Vermittlung seiner Wiener Anwalte gelungen, Aliyev zu einem Interview zu bewegen. Das einstundige Gesprach wurde uber den Online-Telefoniedienst Skype gefuhrt.

profil: Herr Aliyev, vor wenigen Wochen sollen in Kasachstan die Leichen der seit 2007 vermissten Bankmanager Zholdas Timraliyev und Aibar Khasenov aufgefunden worden sein. Nach Darstellung von Kasachstans Prasidenten Nursultan Nasarbajew, Ihrem fruheren Schwiegervater, sollen Sie deren Entfuhrung und Ermordung angeordnet haben. Was sagen Sie dazu?
Aliyev: Nasarbajew versucht seit Jahren, mich zu etwas zu machen, das ich nicht bin. Ich bin weder ein Entfuhrer noch ein Morder. Ich habe die mir zur Last gelegten Taten nicht begangen. Wenn die beiden Manner wirklich tot sein sollten, so wurde mich das wirklich erschuttern, aber ich habe damit nicht das Geringste zu tun. Es gibt einen Zeugen, der in London lebt. Er kann bezeugen, dass der KNB (Kasachstans Geheimdienst, Anm.) bereits 2008 das Ziel hatte, mich des Mordes zu beschuldigen. Er kann auch bezeugen, dass die beiden jedenfalls 2008 noch gelebt haben. Ich hatte auch kein Motiv fur diese angebliche Tat gehabt. Die Manner haben fur eine Bank (die Nurbank mit Sitz in Almaty, Anm.) gearbeitet, an der ich die Mehrheit hatte. Diese wurde mir 2007 weggenommen. Mein gesamter Besitz wurde beschlagnahmt, und ich habe keinen Cent bekommen.

profil: Sie wurden vor einem kasachischen Strafgericht in Abwesenheit bereits zu 20 Jahren Haft verurteilt …
Aliyev: Und ein Militargericht hat mir noch weitere 20 Jahre dazugegeben, insgesamt also 40 Jahre. Gegenuber diesem Militargericht hatte Nasarbajew sogar behauptet, ich sei ein Spion der USA und Osterreichs. Das ist vollkommen absurd. Erst im Janner 2010 hat Nasarbajew seinen Au?enminister (Kanat Saudabayev, Anm.) nach Wien entsandt, um mit mir zu sprechen. Ich frage Sie: Wurde ein Prasident seinen Au?enminister auf die Reise schicken, um einen Kidnapper, Morder, Spion und Putschisten zu treffen? Man will mir etwas anhangen, das ich nicht getan habe. 

profil: Warum?
Aliyev: Nasarbajew ist wirklich ein Morder. Er will mich diskreditieren, um die Stimme der Opposition verstummen zu lassen. Das hat System. Man darf in Kasachstan keine eigene Meinung haben. Der Prasident lasst Oppositionelle entweder als Kriminelle darstellen. Oder gleich umbringen. So ist es mit dem Oppositionellen Zamanbek Nurkadilov passiert. Die offizielle Version seines Todes ist, dass er sich 2005 selbst erschossen hat, obwohl seine Leiche zwei Einschusse aufweist. Und 2006 hat Nasarbajew wahrend eines Aufenthalts in Karnten den Befehl gegeben, den Oppositionellen Altynbek Sarsenbayev umzubringen. Sarsenbayev und zwei Mitarbeiter wurden daraufhin in Kasachstan entfuhrt und erschossen. Das war, als ich dahinterkam, der eigentliche Grund fur meinen endgultigen Bruch mit Nasarbajew. Mit einem Regime, das seine Gegner umbringen lasst, will ich nichts zu tun haben. 

profil: Es soll sich in Ihrem Fall aber doch mehr um eine Art Familienfehde denn um eine politische Auseinandersetzung handeln. Sie waren schlie?lich mehr als zwei Jahrzehnte mit Nasarbajews Tochter Dariga Nasarbajewa verheiratet …
Aliyev: Das ist zu stark vereinfacht. Es gibt naturlich eine personliche, familiare Ebene. Ich werde nie bestreiten, dass ich bis zu meiner Scheidung 25 Jahre ein Teil seiner Familie war. Sie durfen aber nicht vergessen, dass ich auf der anderen Seite stehe. Ich vertrete die Opposition. Als der Prasident im Mai 2007 eine konstitutionelle Anderung vorgenommen und sich zum Prasidenten auf Lebenszeit gemacht hat, habe ich beschlossen, ihn aktiv und medial zu bekampfen. Es war wohl ein Fehler, dass ich zuvor versucht hatte, Reformen durch meinen personlichen Einfluss auf den Prasidenten vorzunehmen. Demokratie kann nicht von oben nach unten realisiert werden. Die Demokratisierung totalitarer Systeme kann nur von unten nach oben, vom Volk selbst aus, passieren, so wie wir das jetzt im arabischen Raum beobachten konnen. Ich bin uberzeugt, das wird auch in Kasachstan passieren. Die Menschen sind des Regimes uberdrussig. 20 Jahre sind genug. 

profil: Wie wollen Sie die Opposition organisieren, wenn Sie auf der Flucht sind?
Aliyev: Ich habe viele Menschen, die mich auf meinem Weg unterstutzen. In Kasachstan und au?erhalb. Ich konsolidiere diese Krafte. Wir haben einen Satelliten-TV-Sender, der die Wahrheit nach Kasachstan bringen soll. Denn dort gibt es weder Rede- noch Pressefreiheit. Mein Buch „The Godfather in Law“ zum Beispiel ist in Kasachstan verboten. Wir reden hier von einem menschenverachtenden, grausamen Regime. Ein Regime, das Kritik am Fuhrer der Nation mit bis zu vier Jahren Haft bestraft. Im Parlament ist nur Nasarbajews Partei vertreten, und alle Richter werden von ihm personlich ernannt. 

profil: Sie selbst waren doch lange Zeit fester Bestandteil dieses Regimes. Sie waren unter anderem stellvertretender Au?enminister, stellvertretender Chef der Steuerfahndung, Kasachstans Botschafter in Osterreich und dienten obendrein im Geheimdienst KNB …
Aliyev: Ja, ich habe fur diese Regierung gearbeitet, was ich aus heutiger Sicht zutiefst bedaure. In den neunziger Jahren wollte Nasarbajew Reformen durchsetzen, um die Marktwirtschaft zu etablieren. Das war mit den Kadern der postsowjetischen Ara nicht moglich, daher holte er junge Unternehmer in die Regierung, darunter auch mich. Ich habe die Finanzpolizei modernisiert, woraufhin er mich gebeten hat, auch den Geheimdienst zu reformieren. Ich wollte das alte sowjetische KGB-System durchbrechen. Aber in den zwei Jahren, die ich dort war, war es unmoglich, den Geheimdienst zu verandern. Dieses System ist nicht zu brechen. Ich war ein Teil des Systems, aber mein Ziel waren Reformen. Ich hatte schon 2003 die Idee, dass Kasachstan den Vorsitz der OSZE ubernimmt, was ja spater auch geschah. Dennoch versucht Nasarbajew alles, die Demokratie im Keim zu ersticken.

profil: Der fruhere SPO-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer berat heute die kasachische Regierung und wird nie mude, Nursultan Nasarbajew als aufrechten Demokraten zu loben. Wie passt das zusammen?
Aliyev: Nasarbajew hat seit Jahren sehr gute Beziehungen zu Osterreich im Allgemeinen und zur SPO im Speziellen. Ich selbst bekam uber Nasarbajews Vermittlung bereits Anfang der neunziger Jahre Zugang zu hochsten Kreisen der SPO. Ich war es auch, der Franz Vranitzky seinerzeit auf Anordnung des Prasidenten mit einem kasachischen Freundschaftsorden ehrte. Die SPO hat Nasarbajew viel zu verdanken, und durch Gusenbauer ist das Verhaltnis noch enger geworden. Es ist ja kein Zufall, dass dieser heute den Prasidenten berat. Nasarbajew war gro?zugig zu Osterreich und zur SPO. Und jetzt erwartet er eben Gegenleistungen. 

profil: Was genau meinen Sie, wenn Sie sagen, Nasarbajew sei gro?zugig zur SPO gewesen?
Aliyev: Ich will darauf jetzt im Detail nicht eingehen.

profil: Dieses Magazin hat kurzlich Depeschen der US-Botschaft in Astana aus WikiLeaks-Bestanden veroffentlicht. Diesen zufolge sollen Sie Bundesprasident Heinz Fischer 2008 personlich von einer geplanten Reise nach Kasachstan abgeraten haben. Trifft das zu?
Aliyev: Nein. Ich hatte nach meiner Abberufung als Botschafter in Osterreich 2007 keinen Kontakt mehr zur osterreichischen Politik. Ich denke, Fischer ist 2008 deshalb nicht nach Kasachstan gereist, weil der kasachische Geheimdienst damals auf osterreichischem Hoheitsgebiet auffallend starke Aktivitaten entfaltet hatte.

profil: Kasachstan hat zwei Auslieferungsantrage an Osterreich gestellt, um Ihrer habhaft zu werden. Die osterreichische Justiz hat sich zweimal quergelegt. Und zwar mit dem Hinweis darauf, dass Sie in Kasachstan keine Chance auf einen fairen Prozess hatten …
Aliyev: Ich war personlich dabei, als Nasarbajew damit geprahlt hat, er konne jeden in der Welt kaufen. Ich habe aber nie geglaubt, dass die unabhangige Justiz Osterreichs sich korrumpieren lassen oder sich dem enormen wirtschaftlichen Druck Kasachstans beugen wurde. Anderseits ist es auch kein Geheimnis, dass Nasarbajew zahlreiche Medien in Osterreich uber die PR-Agentur Hochegger und den Rechtsanwalt Gabriel Lansky fur sich eingenommen hat. Da wurden kasachische Gelder verteilt. Lansky beteuert immer wieder, er wurde nur die Witwen der Banker vertreten, hinter deren Ermordung ich stehen soll. Das glaubt aber wirklich niemand mehr – nicht einmal die Betroffenen selbst. Er sollte endlich zugeben, dass er in Wahrheit fur Nasarbajew tatig ist. 

profil: Sie haben Ihre Zelte in Osterreich vor uber zwei Jahren abgebrochen. Warum haben Sie das Land verlassen?
Aliyev: Ich wollte Osterreich weitere Probleme ersparen, daher bin ich gegangen. Ich habe ein Land gewahlt, das keine nennenswerten wirtschaftlichen Beziehungen zu Kasachstan unterhalt und daher nicht erpresst werden kann. 

profil: Und wo halten Sie sich derzeit auf?
Aliyev: Ich bitte um Verstandnis, dass ich dazu nichts sagen mochte. Ich sorge mich dabei weniger um meine Sicherheit als um die meiner Familie. Wenn Nasarbajew mich mit legalen Methoden nicht bekommen kann, wird er zu illegalen greifen. Er wird versuchen, mich zu neutralisieren. 

profil: Wollen Sie Ihr restliches Leben auf der Flucht verbringen?
Aliyev: Ich will irgendwann zuruck nach Kasachstan. Die Entwicklungen der letzten Monate lassen mich daran glauben, dass Veranderung moglich ist. Denken Sie an Tunesien, Agypten und Libyen. Der Demokratisierungsprozess wird auch vor Kasachstan nicht haltmachen. Man kann 16 Millionen Menschen nicht auf Dauer wie Schafe halten. 

profil: Es hei?t, Sie hatten Ambitionen auf das Amt des Prasidenten.
Aliyev: Ja, die habe ich. Genau deshalb bin ich eine Gefahr fur dieses Regime. Ich bin der lebende Beweis dafur, dass nicht jeder vor Nasarbajew auf die Knie fallen muss.

Profil

26 Июнь, 2011 


Источ­ник: rakhat.org,
полу­че­но с помо­щью rss-farm.ru

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