Kasachstans Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Jahr 2010 war vom undurchsichtigen Fall Alijew überschattet. Der kasachische Ex-Botschafter in Österreich und Ex-Schwiegersohn von Staatschef Nasarbajew forderte Kasachstan, Österreich und andere europäische Länder heraus. Nun gibt es eine neue Klage – diesmal aus Deutschland wegen Folter und Misshandlung. Das könnte Sie auch interessieren Spekulationen zufolge soll die Regierung in Astana mit “Staatsfeind” Rachat Alijew für das Jahr 2010 ein Stillhalteabkommen getroffen haben. Wenigstens im Jahr des kasachischen Vorsitzes der OSZE sollte Alijew nicht für Aufregung sorgen. Zuvor waren Auslieferungsbegehren Kasachstans von österreichischer Seite abgelehnt worden, da ihn in dem zentralasiatischen Staat kein faires Verfahren erwarte. In Österreich genießt Alijew Asyl. Schon vor dem OSZE-Vorsitz-Jahr hatte Kasachstan alle Register gezogen, um von Österreich die Auslieferung Alijews zu erreichen. Zu diesen Registern gehörten politischer Druck, Interventionen, Bestechungen, Spionageaktionen, Medienbeeinflussungen und vereitelte Entführungen. Unter anderem wurde Alijew für die Entführung und mutmaßliche Ermordung zweier Manager seiner eigenen kasachischen “Nurbank” am 31. Januar 2007 verantwortlich gemacht. Nach Griechenland abgetaucht? Der ehemalige Botschafter Kasachstans in Wien, frühere Geheimdienstchef, Vizeaußenminister und nunmehrige Unternehmer soll Offiziere des Personenschutzes eigenhändig misshandelt haben. Folterungen, die Rachat Alijew über mehrere Wochen hinweg angeordnet und die er zum Teil höchstpersönlich ausgeübt haben soll, stehen demnächst im Mittelpunkt eines Verfahrens vor einem Wiener Gericht – falls die Vorladung dem Beklagten überhaupt zugestellt werden kann. Denn Alijew hat sein Asylland Österreich offenbar verlassen und hält sich mutmaßlich in Griechenland auf. Weiterhin keine Auslieferung Alijew, ehemaliger Schwiegersohn von Kasachstans Staatschef Nursultan Nasarbajew, hat zwar in Österreich politisches Asyl und eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, dürfte indes in Griechenland untergetaucht sein. In Kasachstan warten zwei Urteile zu je zwanzig Jahren Haft auf Vollstreckung. Alijew war zu Hause in Abwesenheit verurteilt worden. Österreich liefert vorerst den Mann weiterhin nicht aus. Nun klagt einer der früheren Leibwächter eines hohen Politikers sowohl Alijew als auch den ehemaligen Geheimdienstchef an. Satzhan I., 45 Jahre alt, will für die körperlichen und seelischen Schäden, die er unter Alijew über Wochen hinweg erlitten hat, angemessen entschädigt werden. Verstimmung zwischen den Ländern Der Fall ist politisch heikel und sorgt wegen der Nichtauslieferung durch Österreich schon lang für deutliche Verstimmung zwischen den beiden Ländern. Darüber hinaus ist der Fall auch in juristischer Hinsicht pikant und nahezu einmalig: Die Taten sollen in Kasachstan verübt worden sein, doch sowohl der Kläger als auch der Beklagte wohnen in einem Exilland. Der Kläger, Satzhan I., lebt in Belgien, der Beklagte, Alijew, in Österreich. Da ihm Österreich politisches Asyl gewährt hatte, gilt das österreichische Recht. Für Schadenersatzansprüche und Schmerzensgeld gilt jedoch das Recht der Republik Kasachstan. Neben Rachat Alijew zielt die Klage auch auf das Komitee für Nationale Sicherheit der Republik Kasachstan (KNS) ab. Alijew hatte in diesem Dienst in Astana höchste Ämter inne, bevor er 2002 Botschafter seines Landes in Österreich wurde. Wochenlange Folterungen Der Kläger, Satzhan I., war in den Neunziger Jahren persönlicher Leibwächter des damaligen Ministerpräsidenten Kasachstans, Akezhan Kazhegeldin, und gleichzeitig Chef des Wachschutzes. Die enge Verbindung zum damaligen Regierungschef wurde I. zum Verhängnis. I. wurde wochenlang schwer gefoltert, weil er sich weigerte, seine Schutzperson durch falsche Behauptungen zu diskreditieren. Hinter den Folterungen soll Alijew gestanden sein, der in Kazhegeldins Ambitionen als Staatsoberhaupt eine Konkurrenz sah. I. und andere Bodyguards sollten Kazhegeldin diffamieren und somit einer strafrechtlichen Verfolgung ausliefern. Sie sollten behaupten, Kazhegeldin habe Waffen für einen Putsch organisiert. Damit wäre Alijew seinen Konkurrenten für lange Zeit los geworden. Systematische Misshandlung Alijew, damals KNS-Chef von Astana, soll die Männer nicht nur durch seine Mitarbeiter tage- und sogar wochenlang foltern haben lassen, sondern er soll seine Opfer auch eigenhändig systematisch und brutal misshandelt haben. Doch Satzhan I. und sein Kollege Wladimir R. hielten den Folterungen und Drohungen stand. Ein weiterer Personenschützer des damaligen Premierministers, Petr A., hielt die Misshandlungen indes nicht aus. Dieses Verfahren könnte Alijew, der in Österreich und anderen Ländern über beste Kontakte und ein großes Vermögen verfügt, Probleme bereiten. Ein Problem könnte freilich auch das Gericht selbst beim Absenden der Vorladung haben. Denn Alijews derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt. Ewald König, Max Malik www.euractiv.de / 17.02.2011 Share this on Facebook Tweet This! Get Shareaholic
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