Die Meldungen über die Causa Rakhat Aliyev (Shoraz) überschlagen sich in den letzten Tagen. Schon am Freitag berichteten die Medien, dass das Oberlandesgericht Wien (OLG) in einem Beschluss feststellte, „dass die Vorwürfe gegen Rakhat Aliyev nicht politisch konstruiert sind, sondern durch österreichische Ermittlungen erhärtet wurden“. Das kasachische Urteil wurde dabei als klar und plausibel eingestuft.
Bereits im September letzten Jahres berichteten wir über die Hintergründe dieses Beschlusses. Im Zuge der Ermittlungen in der Causa Aliyev hatte die Staatsanwaltschaft Wien damals zum Zwecke der Feststellung der Eigentümerverhältnisse von insgesamt 15 internationalen Firmen, deren Kontoverbindungen, sowie u. a. der Feststellung der Vermögensverhältnisse von Rakhat Shoraz, vormals Aliyev, Hausdurchsuchungen bei einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei in Wien angeordnet. Nicht nur die Kanzlei, sondern auch die Wohnung des Anwalts Christian L. wurde dabei durchsucht.
Die Staatsanwaltschaft Wien begründet die Durchsuchung damit, dass der Beschuldigte dringend verdächtigt wird „wissentlich Vermögensbestandteile … , die aus einem Verbrechen eines Anderen, nämlich von Dr. Rakhat Shoraz, vormals Aliyev, sowie der von ihm in Kasachstan gegründeten kriminellen Organisation herrühren, an sich gebracht, verwahrt, angelegt, verwaltet, umgewaltet, verwertet oder auf einen Dritten übertragen zu haben, indem er als Treuhänder oder ‚Strohmann’ für Dr. Rakhat Shoraz, vormals Aliyev, in diversen Firmen in Erscheinung trat und die Finanztransaktionen für diese Unternehmen in Auftrag von Rakhat Shoraz, vormals Aliyev, durchführte.“ Dem Beschuldigten wurde daher von Seiten der Staatsanwaltschaft Wien vorgeworfen, das Verbrechen der Geldwäscherei begangen zu haben. Es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.
Prompt legte der beschuldigte Anwalt Beschwerde ein, in der betont wurde, dass die unangemeldete Durchsuchung der Privat- und Kanzleiadresse unrechtmäßig durchgeführt wurde.
Das Oberlandesgericht Wien befasste sich mit der Beschwerde und kam zu Ergebnissen, welche alle von Aliyev und dessen Anwälten hervorgebrachten Einwänden und Unterstellungen in der Causa widersprechen.
In seiner Panik, so scheint es, tritt nun Rakhat Aliyev (Shoraz) zusammen mit seinem gesamten Anwalts-Team die Flucht nach vorne an. In einem „Presse“-Artikel sagte sein Anwalt Manfred Ainedter, Aliyev würde „sich einem Mordprozess in Wien stellen, sollte es in den derzeit laufenden Ermittlungen wegen der Entführung zweier kasachischer Bankmanager zur Anklage kommen.“ Aliyev würde demnach ohne Probleme nach Wien kommen, sollten ihn die Behörden darum bitten. Bis vor kurzem wurde gerade dies von Aliyev und dessen Anwälten aus „Sicherheitsgründen“ abgelehnt. Jetzt, da eine Anklage als äußerst wahrscheinlich erscheint und er eventuell befürchten muss, dass die Staatsanwaltschaft Wien Fluchtgefahr sieht, versucht Aliyev zu signalisieren, dass er ohnehin schon immer mit den Behörden zusammengearbeitet hat.
Otto Dietrich, ebenfalls Anwalt von Shoraz, ist der Meinung, dass „weder die Mord- noch die Geldwäschereivorwürfe halten würden“. Dann muss man wohl annehmen, dass Herr Dietrich den Beschluss der OLG Wien nicht genau gelesen hat. Denn darin wird der Verdacht der Geldwäsche sowohl „organisationsbezogen” als auch Vortaten-bezogen begründet: demnach war Aliyev nicht „nur“ der Gründer und Leiter einer „stabil organisierten kriminellen Gruppe mit dem Ziel der Entführung von Menschen und anschließender Besitzergreifung von fremdem Vermögen durch Erpressung, Diebstahl, Verwendung gefälschter Dokumente (Urteil des BG Almaty)”, sondern auch die von Aliyev und seinem österreichischen Anwalt transferierten Vermögenswerte stammen aus kriminellen Handlungen, insbesondere aus Nurbank-Erpressungen.
Auf Seite 8 des Beschlusses heißt es diesbezüglich genau:
„Gegenständlich wird Dr. Christian L. (Aliyevs Treuhänder, Anm.) sowohl der vortatbezogenen Geldwäscherei (§ 165 Abs 1 und 2 StGB idgF) als auch der organisationsbezogenen Geldwäscherei (§ 165 Abs 3 StGB idgF) bezichtigt. Angesichts der umfangreichen Erhebungen des Bundeskriminalamtes, der Sachverhaltsdarstellungen der Privatbeteiligten, der mehrfachen Geldwäscheverdachtsmeldungen diverser österreichischer Bankinstitute … ist in Übereinstimmung mit dem Beschluss eine ausreichend fundierte Verdachtslage in Richtung der angezogenen qualifizierten Geldwäschereitatbestände gegeben.“
Aliyevs Stellungnahme auf die neue Faktenlage erscheint ebenso plump wie lächerlich: „Tatsache ist, dass sämtliche gegen mich erhobenen Vorwürfe vom kasachischen Geheimdienst inszeniert und mit Hilfe manipulierter und unter Druck gesetzter Zeugen aufrechterhalten werden. Um dies zu beweisen, werde ich auch weiterhin eng mit den Behörden kooperieren”. Ganz egal wie fundiert die Faktenlage ist und von wie vielen unterschiedlichen Seiten diese noch bekräftig wird, Aliyev behauptet stets in mantrahafter Manier, hinter allem und jedem stecke der „kasachische Geheimdienst“. Dies scheint wahrhaftig Aliyevs einziges Argument in Bezug auf die gegen ihn vorgebrachten Beweise zu sein.
Doch auch hier spricht das OLG Wien eine klare Sprache. Es sieht die Ermittlungen der kasachischen Behörden nicht als „politisch kontaminiert”. Das OLG hält vielmehr fest, dass sich aus dem im rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichts Almaty vom Jänner 2008 „plausibel und detailliert geschilderten Vorgängen” eine Verdachtslage zur Gründung einer kriminellen Vereinigung darstellen lässt.
Des Weiteren werden die Aussagen der Opfer von Aliyev, Armangul Kapasheva (Opferwitwe) und Abilmazhen Gilimov (Ex-Vorstandsvorsitzender der Nurbank) vom OLG Wien als glaubwürdig erachtet. Anzumerken ist hier auch, dass im Zuge der Ermittlungen in der Causa Aliyev mehr als 20 Zeugen, u. a. auch in Wien, verhört wurden. Alle Einvernommenen belasteten Aliyev mit ihren Aussagen und bestätigten dessen führende Rolle bei den Nurbank-Morden. Doch auch diese (über 20!) Aussagen sollen laut Aliyev manipuliert worden sein.
Man stelle sich nur den Aufwand vor, den es benötigen würde, um all diese Zeugen so unter Druck zu setzen, dass sie gegen Aliyev aussagen. Und auch den Aufwand um österreichische Gerichte so zu manipulieren, dass diese in Beschlüssen Aliyev vorwerfen, es gebe Grund zur Annahme, er sei der Kopf eines Geldwäschenetzwerks, welches auf Bestechung, Folter und Mord aufbaut.
Nein, hier hat ein österreichisches Gericht Klartext gesprochen. Die Beweislage ist erdrückend. Otto Schily, ehemaliger deutscher Bundesinnenminister und seit kurzem auch zweiter Opferanwalt in der Causa, hat es klar auf den Punkt gebracht: „Die Causa hat eine europäische Dimension erreicht. Der Fall ist der EU-Kommissarin Vivian Reding und dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses im EU-Parlament, Klaus-Heiner Lehne, aufgefallen. Weder in Deutschland noch in Frankreich oder Großbritannien wäre ein Beschuldigter bei einer derart dichten Verdachtslage noch auf freiem Fuß”. Nachsatz von Schily: „Und schon gar nicht hätte er dort einen Fremdenpass erhalten.”
Nun liegt es an der Staatsanwaltschaft Wien die nächsten Schritte zu setzen und einen europäischen Haftbefehl zu erlassen. Es besteht eindeutig Handlungsbedarf. Oder mit Otto Schilys Worten: „Ich bin sicher, wenn ein Gericht alle Akten einsieht, würde ein Haftbefehl erlassen werden.“
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Aliyevs Flucht nach vorn